Veranstaltung zum Gedenken an das Kriegsende 8. Mai 2011

Veröffentlicht am 16.05.2011 in Kommunales
 

Das "Bündnis für Vielfalt und gegen Extremismus" lud die Bürger zum Gedenken an das Kriegsende vor 66 Jahren zum Bahnhofsvorplatz ein.
Nach kurzem Grußwort durch Landrat Körner und Rede des Jugendbürgermeisters
Markus Philip
reflektierte Dr. Becker (Stadtarchiv LU)für die Naturfreunde den Nationalsozialismus im Rhein-Pfalz Kreis:
Sehr geehrter Herr Landrat Clemens Körner, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen….

Wer zum 8. Mai 1945 spricht, kann zum 30. Januar 1933 nicht schweigen.

Nach der Machtübergabe an Adolf Hitler durch den zuvor durch die Stimmen der Demokraten gewählten Reichspräsidenten Paul von Hindenburg änderte sich in Deutschland alles:

Bereits am 2. Februar 1933 wurde durch die Notverordnung „zum Schutze des deutschen Volkes“ die Versammlungs- und die Pressefreiheit in ganz Deutschland weitgehend eingeschränkt

Sämtliche Mitglieder der kommunistischen Bezirksleitung in Baden-Pfalz wurden seit dem 10. Februar 1933 mit Haftbefehl gesucht – immerhin bis zu 15 % der Wählerinnen und Wähler in Böhl und Iggelheim hatten sich in freien Wahlen zu dieser Partei bekannt.

Die Notverordnung „zum Schutz von Volk und Staat“ vom 28. Februar 1933 hob dann alle Grundrechte auf.

Letzterer war am 27. Februar 1933 der Reichstagsbrand vorausgegangen, den die Nationalsozialisten noch in der gleichen Nacht als Auftakt zur Festnahme von 1 500 kommunistischen Funktionären in Berlin und 10 000 im Reich nutzten

Trotzdem erbrachte die schon unter deutlichem Zwang stehende RTW vom 5. März 1933 den NS nicht die absolute Mehrheit – in Böhl wurde sie knapp erreicht – in Iggelheim jedoch verfehlt. Diese Ergebnis weißt das heutige Böhl-Iggelheim weder als ehemalige NSDAP-Hochburg aus - noch als Ort der Verweigerung. Für beides gibt es jedoch Beispiele im Rhein-Pfalz-Kreis, wie sie mein leider zu früh verstorbene Studiumkollege Michael Schepura in seiner Dissertation über die Herrschaftspraxis und das Alltagsleben unter dem NS in den Gemeinden des heutigen Rhein-Pfalz-Kreises nachgewiesen hat.

Nach dem Nichterreichen der absoluten Mehrheit am 5. März 1933 wurde durch die NS die Gangart deutlich verschärft:

Am 10. März 1933 wurde die sozialdemokratische Presse in der Pfalz verboten. Die letzte Ausgabe der „Pfälzischen Post“, die schon unter Vorzensur gestanden hatte und mit zahlreichen fehlenden Artikeln erschienene war, berichtete geradezu symbolisch von der Zerstörung des Ebert-Erzberger-Rathenau-Denkmals in Zweibrücken – eines erst kurz zuvor errichteten Denkmals für die Vorkämpfer der deutschen Demokratie nach 1919.

Nicht mehr berichten konnte das SPD-Organ über die Erschießung des Sozialdemokraten Georg Hüter am gleichen Morgen in Oppau, der gegen das Anbringen der Hakenkreuzfahne auf dem Rathaus protestiert hatte. Sein Mörder wurde erst nach 1945 juristisch belangt.

Auch das gleichzeitige Verbot der demokratischen Wehrorganisationen der SPD, also das Reichsbanner Schwarz Rot Gold und die Eisernen Front sowie die Sozialistische Arbeiterjugend (SAJ) war nun nur noch der NS-Presse zu entnehmen.

In der Folge wurde noch am gleichen Tag - neben zahlreichen weiteren pfälzischen Reichsbannerführern - dessen Gauvorsitzender, der spätere Bundesverfassungsgerichtsvize-präsident Friedrich Wilhelm Wagner verhaftet.

Glückliche Umstände ermöglichten ihm am 11. März 1933 die Flucht aus der Pfalz. Andere wie der pfälzische Bezirksvorsitzende der SPD Hammer, der SPD-Bezirkssekretär Bögler oder die sozialdemokratischen Bürgermeister von Ludwigshafen oder Oppau kamen jedoch in „Schutzhaft“ – die euphemistische Umschreibung der NS für die Unterbringung in Gefängnissen und den frühen KZ´s.

Gerechtfertigt wurde diese Willkürakte durch das nachträglich beschlossene Ermächtigungsgesetz vom 23. März 1933, das die Gesetzgebung vom Parlament auf Hitlers Regierung übertrug.

Nach der Zerschlagung der Strukturen der Arbeiterparteien wandten sich die NS den jüdischen Mitbürgern zu, die in Iggelheim 14 Personen umfassten:

"Deutsche! Wehrt Euch! Kauft nicht bei Juden!" – so lauteten die schändlichen Parolen dann schon am 1. April 1933 als morgens um 10 Uhr der erste reichsweite Boykott jüdischer Geschäfte, Ärzte und Rechtsanwälte begann.

Mit dem "Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" vom 7. April 1933 wurden entsprechend dem NS-Jargon "nichtarische" Beamte in den Ruhestand versetzt.

Im Mai wurde der sogenannte "Ariernachweis" auch von Arbeitern und Angestellten des öffentlichen Dienstes gefordert.

Am 2. Mai 1933 waren die Gewerkschaften an der Reihe:

Auf der Grundlage der Ermächtigungsgesetztes waren bereits ab dem 4. April die Arbeitgeber ermächtigt worden, Betriebsangehörige bei „Verdacht staatsfeindlicher Tätigkeit“ zu entlassen – gemeint waren damit natürlich die bisherigen Betriebsratsmitglieder.

Der Dank des Regimes an die Arbeitnehmer sich „allerorts an den von der Regierung veranlassten Feiern zum 1. Mai zu beteiligen“ erfolgte am nächsten Morgen: Wiederum um zehn Uhr besetzten SA- und SS-Kommandos auch in Ludwigshafen das Gewerkschaftshaus und verhafteten sechs Bezirkssekretäre des ADGB. In Duisburg wurden an diesem Tag vier Gewerkschaftssekretäre bestialisch ermordet. Das Gewerkschaftsvermögen wurde konfisziert; die Gewerkschaftspresse wurde nun im Sinne der Herrschenden redigiert.

Mit dem Verbot der Freien Gewerkschaften erfolgte auch die Auflösung sämtlicher Arbeitervereine – im damaligen Stadtgebiet von Ludwigshafen waren davon z.B. 4.493 Ende 1932 im Kartell der Arbeitervereine organisierte Arbeitersportler betroffen – reichsweit rund 1,2 Millionen.

Neben der Vermögensbeschlagnahme, der Wegnahme der Sportgeräte und Sporthallen, der Naturfreundehäuser usw. mussten viele Arbeitersportmitglieder auch Drangsalierungen erleiden: Der Vorsitzende des ATSB, Cornelius Gellert, wurde mehrfach inhaftiert – 1939/40 auch im KZ Sachsenhausen.

Die meisten Arbeitersportler beabsichtigten einem ähnlichen Schicksal dadurch zu entgehen, in dem sie sich benachbarten bürgerlichen Vereinen anschlossen. In der Regel wurden sie dort aber als angebliche „Märzgefallene“ abgelehnt – auch der Namenswechsel eines Arbeitersportvereins verhinderte nur selten die Auflösung. Betroffenen hiervon waren allein im damaligen Stadtgebiet von Ludwigshafen bis 1935 mindestens 75 sogenannte „marxistische“ Vereine, darunter 44 Arbeitersportvereine.

22. Juni 1933 SPD-Verbot - in Böhl und Iggelheim schon nicht mehr vertreten

Nur wenig später löste sich das katholische Zentrum am 5. Juli 1933 als letzte der bürgerlichen Parteien selbst auf und damit auch in Böhl und Iggelheim die letzte Oppositionspartei.

Wer danach noch Widerstand leistete, wurde drangsaliert, schlimmstenfalls ermordet, wie der kommunistische Ludwigshafener MdR Eugen Herbst oder der Rheingönheimer Pfarrer Caroli

OPFER DES FASCHISMUS 453 für Stadt- und Landkreis Ludwigshafen

HOLOCAUST

Für all diese Menschen konnte der 8. Mai 1945 nur ein Tag der Befreiung sein.

Schon zuvor beim Einmarsch der Amerikaner in den Landkreis Ludwigshafen war allerdings deutlich geworden, dass die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung Hitler und den Nationalsozialisten nicht in den Untergang folgen wollte, gegen die selbstzerstörerischen Endkampfbefehle kam es auch in Böhl und Iggelheim zu kollektivem Ungehorsam, wobei sich insbesondere Frauen hervortaten.

Während Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter ihren amerikanischen Befreiern entgegen eilten, schwankte die Mehrheit der deutschen Bevölkerung noch zwischen der Erleichterung über das Kriegsende und der bangen Erwartung der Besatzungsherrschaft.

Unter diesen Voraussetzung war es nun wieder an den Repräsentanten der Arbeiterbewegung mit dem demokratischen Neubeginn zu beginnen.

So rief z.B. unmittelbar nach der Befreiung der spätere Landesvorsitzende der IG Metall Fritz Baumgärtner in Ludwigshafen am politischen Wiederaufbau interessierte Bürger zur Mitarbeit in einem Antifa-Komitee auf.

Entsprechende Komitees bildeten sich in den kommenden Wochen auch an anderen Orten der Pfalz, so z.B. als „Anti-Nazi-Gruppe“ in Grünstadt oder als „Anti-nationalsozialistische Gruppe“ in Frankenthal.

Dort wurde z.B. auch der 1. Mai 1945 bereits öffentlich von der Arbeiterbewegung wieder begangen. Trotz alliierten Versammlungs- und Kundgebungsverbots sprach der ehemalige kommunistische Stadtrat Ludwig Westermann vor 600 Menschen über den tatsächlichen Sinn der Maifeier und dessen Missbrauch durch die NS.

Moralisch integer genug war die Arbeiterbewegung auch sich bei den vorgesetzten amerikanischen Offizieren über Übergriffe auf die Zivilbevölkerung zu beschweren und sich auch frühzeitig um die Entlassung deutscher Kriegsgefangener – auch aus dem bis Ende Juni 1945 bestehenden Kriegsgefangenenlager Böhl-Iggelheim - zu bemühen.

Mit dem Wechsel der Besatzungsmacht am 10. Juli 1945 ging der Einfluss der Arbeiterbewegung beim gesellschaftlichen Wiederaufbau allerdings deutlich zurück.

Trotzdem wurden zentrale Forderungen der Arbeiterbewegung in der Nachkriegs-entwicklung der Bundesrepublik Deutschland verwirklicht, wie die parlamentarisch-pluralistischen Demokratie mit freien Wahlen, das Mehrheitsprinzip, der Schutz der Menschenrechte, die Meinungsfreiheit und die Freiheit vor Furcht leben zu können.

Aus dieser Sichtweise war und kann der 8. Mai deshalb nur ein Tag der Befreiung sein.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

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