Die SPD-Fraktion hat für den Sommerplatz als neue Namensbezeichnung „Otto-Wels-Platz“ vorgeschlagen. Für die Anwohner des Platzes soll sich an der postalischen Adresse „Hauptstraße“ nichts ändern, denn auch der „Sommerplatz“ ist keine postalische Adresse.
Gleichzeitig schließt Böhl-Iggelheim mit der Platzbenennung an die Straßenbezeichnung im Neubaugebiet Böhl-Ost IV, mit den Namen antifaschistischer Widerstandskämpfer an.
Es geht es in erster Linie um die Ehrung und Anerkennung der Verfechter einer demokratischen Gesellschaft, die ohne großen finanziellen und organisatorischen Aufwand zu realisieren ist. Sollte eine Platzbenennung nur mit erheblichem Aufwand und eventuellen postalischen Änderungen möglich sein, so steht die SPD einer anderen Lösung offen gegenüber. Dies hat die SPD auch so in der letzten Ratssitzung SPD erklärt.
Beispielsweise ein Otto Wels Gedenkstein auf dem Sommerplatz. Finanziert werden könnte der Gedenkstein durch Spenden – erste Zusagen liegen dafür vor. Die Namensgebung bzw. Enthüllung soll anlässlich einer öffentlichen Veranstaltung erfolgen.
Auf einer Tafel/Gedenkstein soll der berühmte Otto Wels’ Satz zu lesen sein:
„Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht.“
Otto Wels 1933
Warum schlägt die SPD eine solche Namensgebung vor?
In diesem Jahr vor 80 Jahren, am 24. März 1933, hat eine große Mehrheit im deutschen Reichstag das von den Nationalsozialisten vorgelegte Ermächtigungsgesetz beschlossen, das Hitler mit weitreichenden Vollmachten zur Abschaffung der Demokratie ermächtigte. Die Folgen dieser fatalen Entscheidung bis 1945 sind gerade uns Deutschen gegenwärtig.
Und die SPD ist in diesem Jahr 150 Jahre alt.
Otto Wels ging als der Reichstagsabgeordnete in die Geschichte ein, der sich tags zuvor, am 23. März 1933, in der letzten freien Reichstagsrede gegen das Ermächtigungsgesetz ausgesprochen und die Ablehnung der SPD begründet hatte. Als einzige Partei stimmte die SPD einstimmig gegen das Ermächtigungsgesetz.
Otto Wels gilt als Vorbild für alle Bürger, die den Faschismus ablehnen.
Weil in Deutschland (wie sich durch die NSU-Morde leider gezeigt hat) rassistisches und faschistoides Gedankengut leider immer noch nicht ausgemerzt ist und Rechtsradikale sogar noch politische Mandatsträger werden können, ist es wichtig, dass auch in Böhl-Iggelheim daran erinnert wird, dass nicht alle Menschen und Politiker der Machtergreifung der Nationalsozialisten zustimmten. Die SPD schlägt daher vor, an diesem von der Öffentlichkeit frequentierten Platz ein eindeutiges Zeichen setzen. Hier stehen auch immer die demokratischen Parteien mit ihren Infoständen. Mit der Namensgebung will die SPD Otto Wels als aufrichtigen und mutigen Demokraten ehren, der für alle demokratisch gesinnten Bürger in einer bemerkenswerten Rede die Verweigerung zum Ermächtigungsgesetz im Reichstag begründete, während SA-Leute bereits das Plenum besetzt hatten, um widerständige Abgeordnete einzuschüchtern.
Der historische Hintergrund:
Vor 80 Jahren …………
23.03.1933: Rede des Sozialdemokraten Otto Wels gegen das "Ermächtigungsgesetz"
Das sogenannte Ermächtigungsgesetz vom 23. März 1933 setzte die Reichsverfassung von Weimar außer Kraft. Die Demokratie bot die paradoxe Möglichkeit, sich mit Mehrheit selbst abzuschaffen. Die einzigen, die sich im Parlament gegen diesen Prozess stemmten, waren die Sozialdemokraten.
In der Not der Weltwirtschaftskrise und unter dem Eindruck blutiger Straßenschlachten politischer Kampfverbände setzten immer mehr Deutsche ihre Hoffnung auf autoritäre Strukturen, auf den "starken Mann", der dem Chaos ein Ende setzte und für "Ordnung" sorgte.
Hindenburg ersetzte Ende Januar 1933 den Reichskanzler General Kurt von Schleicher durch Adolf Hitler.
Das Regime ging schnell ans Werk, um seine Herrschaft zu sichern: Missliebige Zeitungen wurden verboten, die Schlägertruppe der SA wurde als "Hilfspolizei" eingesetzt, Gegner der neuen Machthaber bedroht, misshandelt und sogar ermordet. Der erst im November 1932 gewählte Reichstag wurde aufgelöst, Neuwahlen für den März 1933 angesetzt. Die Regierung nutzte den Reichstagsbrand am 27. Februar zum Erlass einer "Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat", der Terror begann.
Für zahlreiche politische Vergehen wurde die Todesstrafe eingeführt. In der Reichstagswahl am 5. März konnte die SPD trotz des Terrors die Zahl ihrer Mandate behaupten, und die NSDAP verfehlte ihr Ziel einer absoluten Mehrheit. Die Kommunisten durften nach der Wahl ihre Parlamentssitze nicht mehr einnehmen, auch Abgeordnete anderer Parteien wurden verhaftet.
Am 23. März stellte die Regierung das "Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich", das "Ermächtigungsgesetz", zur Abstimmung.
Danach durfte die Regierung ohne Zustimmung des Parlaments Gesetze erlassen, deren Inhalt von der Verfassung abweichen konnte - die verfassungsmäßige demokratische Ordnung wurde endgültig ausgehebelt.
Im mit Hakenkreuzfahnen behängten Sitzungssaal, zwischen uniformierten SA- und SS-Leuten sitzend, vor der Tür eine aufgepeitschte Menge, nahmen 94 von 120 sozialdemokratischen Abgeordneten an der Sitzung teil. Andere waren bereits verhaftet, vor drohender Verhaftung untergetaucht oder ins Exil gegangen.
Die SPD-Abgeordneten waren die einzigen, die in der namentlichen Abstimmung mit "Nein" votierten. Sie wussten, dass sie damit das Gesetz nicht mehr verhindern konnten, aber sie wollten ein Zeichen des Widerstands setzen. (FES)
Die Worte, die Otto Wels in seiner Rede fand, sind in die Geschichte eingegangen: "...Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht....Wir Sozialdemokraten wissen, dass man machtpolitische Tatsachen durch bloße Rechtsverwahrungen nicht beseitigen kann....Aber auch das Rechtsbewusstsein des Volkes ist eine politische Macht, und wir werden nicht aufhören, an dieses Rechtsbewusstsein zu appellieren...Wir deutschen Sozialdemokraten bekennen uns in dieser geschichtlichen Stunde feierlich zu den Grundsätzen der Menschlichkeit und der Gerechtigkeit, der Freiheit und des Sozialismus. Kein Ermächtigungsgesetz gibt Ihnen die Macht, Ideen, die ewig und unzerstörbar sind, zu vernichten...."
Die gesamte Rede als PDF Dokument:
http://www.spd.de/linkableblob/5698/data/geschichte_rede_otto_wels.pdf
und die Rede bei YouTube:
http://www.youtube.com/watch?v=bmhB6D1_AIc